Köthner und Gewerbe

Handwerk und Handel entstehen aus der Kötnerschicht


Neben den Bauern und Häuslingen gehörte früher noch eine weitere soziale Schicht zum dörflichen Leben: die Kötner. Sie besaßen zwar ein Haus, verfügten aber nur über wenig Landbesitz und waren daher auf andere Arbeiten zum Bestreiten ihres Lebensunterhaltes angewiesen. So spezialisierten sie sich auf Angebote von Waren und Dienstleistungen, die in der bäuerlichen Wirtschaft nicht hergestellt wurden oder die sie mit der Zeit besser herstellen konnten.

Die Reparatur von landwirtschaftlichen Geräten und das Beschlagen der Pferde übernahm der Schmied. Gemeinsam mit dem Stellmacher baute und reparierte er die Fuhrwerke der Bauern, die damit Frachtfahrten unternahmen. In der Mühle wurde das Korn gemahlen, dessen Verarbeitung wiederum die Aufgabe des Bäckers war. Gerätschaften des täglichen Bedarfs, insbesondere für die Haushalte, besorgte und bot der Landhöker an.
Schließlich durfte auch das Vergnügen nicht fehlen und so wurden Schankwirtschaften eingerichtet. Vor allem aber gingen aus den Köthnern viele Straßenmacher-Meister hervor. Anhand der Generationsfolgen auf den Kötnerstellen und von Konzessionsbriefen lässt sich zeigen, dass in Arsten seit Anfang bis Mitte des letzten Jahrhunderts alle wichtigen Gewerbe von Kötnern gegründet wurden, was im folgenden an einigen Beispielen belegt werden soll.

Bäcker Bolte

Bäckerei Bolte, Arster Heerstraße 85/87 um 1930, rechts das Backhaus

Der erste Bäcker und vermutlich auch das erste Gewerbe befand sich im Haus von Bäcker Bolte, das in Arsten „Arntsienhuus“ genannt wird. Der Name stammt von Arend (auch:Arnt) Wessels, der 1739 im Contributionsregister als Köthner genannt wurde. Sein Sohn, ebenfalls ein Arend Wessels, hat sicher die erste Grobbäckerei in Arsten betrieben. Denn im Gesuch des Bäckers Engelbart Warnken aus dem Jahr 1786 wird erwähnt, dass vor etlichen Jahren Joh. Frese u. Arend Wessels die Anlegung eines Backofens erlaubt wurde.


Nachfolger war Johann Wessels. Dessen Sohn, wiederum ein Arend, war der letzte Wessels auf der Stelle. Die Familie Bolte betrieb die Bäckerei in vier Generationen und es war stets ein Hinrich Bolte, der sie als Bäcker führte. Die gutgehende Bäckerei und Hökerei wurde 1922 von dem Sohn Hinrich Bolte weitergeführt und zu einem Kolonialwarenladen ausgebaut. Die Kunden außerhalb Arstens wurden zweimal in der Woche mit dem eigenen Verkaufswagen beliefert.

Bäckerwagen von Boltens in den 30er Jahren, links Irmgard Bolte


Als der Bäckermeister Hinrich Bolte im Jahr 1935 starb, hatte dessen Sohn Hinrich, inzwischen schon 46, wenig Interesse an der Bäckerei, sondern malte lieber Ölbilder. So führte seine Frau „Lampen Gesine“ die Bäckerei weiter, bis der Sohn Heinz Bolte das Geschäft übernehmen konnte. Nach dem Krieg baute er gemeinsam mit seiner Frau Irmgard Scholand das Geschäft aus und sie richteten einen Laden ein. Da das Geschäft in den 50er und 60er Jahren gut florierte, wurde 1964 das alte Haus an der Heerstraße durch einen Neubau mit geräumigem Laden ersetzt. Bäcker Heinz Bolte fand in seiner Familie keinen Nachfolger und so wurde das Geschäft am 1.März 1971 aufgegeben.

Bäcker und Landhöker Warnken (Blomens)

Das Beispiel von Bäcker Warnken, von den Arstern „Blomens“ genannt, zeigt, wie schwierig es früher war, ein Gewerbe zu gründen. Voraussetzung war damals die Erteilung einer Konzession durch den Landherrn. Dieses war mit einer umständlichen Genehmigungsprozedur verbunden.

Blomens Haus an der Arster Landstraße um 1903

Engelbart Warnken reichte im Jahr 1786 ein Gesuch ein, in dem er um die Erlaubnis bat, einen „allgemeinen Backofen“ anlegen zu dürfen. Er verweist dabei auf zwei bereits bestehende Backöfen von Joh. Frese und Arend Wessell (später Bolte), die schon „vor etlichen Jahren“ Konzessionen erhalten hatten. Wir erfahren aus dem Gesuch, dass der Bäcker in seinem Backofen nicht nur Brot zum Verkauf herstellte, sondern auch das selbstgemachte Brot der Einwohner gegen Bezahlung garte.

Da die bereits ansässigen Bäcker wohl Konkurrenz fürchteten, versuchten sie augenscheinlich, dem Antragsteller Steine in den Weg zu legen. Dabei wurden auch Verwandte vorgeschickt, die Einwände gegen die Errichtung des Backofens erhoben. Die Schwierigkeiten, die er bei der Gründung seines Geschäftes überwinden musste, hat Engelbart Warnken mit einem Satz im Balken des erbauten Backhauses festhalten lassen: „Afgunst der Menschen kann nichts schaden; was Gott wil, das wil wol geraten. Anno 1787.“

Seine Nachfolger weiteten ihre Tätigkeit schon bald auf den Verkauf anderer Waren aus und betrieben eine sogenannte „Landhökerei“. Um 1890 setzten sie den Schwerpunkt auf den Kolonialwarenhandel, der bis 1952 betrieben wurde.  Auf der Diele des Kötnerhauses wurde ein Ladenraum abgeteilt und eingerichtet.  Hier konnte man alle Lebensmittel wie Mehl, Zucker, Salz, Essig u.a. lose kaufen. Mit der Zeit wurde das Angebot um Haushalts- und Eisenwaren, Geräte, wie Grabe-Spaten, sowie Holschen erweitert. Blomen-Hermann war der erste, der diesen Landhandel in Arsten betrieb. Für die Kunden hatte er immer einen witzigen Werbespruch bereit: „Solltest Du in Nöten sein, dann kauf bei Blomen-Hermann ein.“


Bäcker Müller

Bäckerei Müller um 1928, links der Eingang zum Cafe Weserstrand


Im Jahre 1840 bekamen die Arster Bäcker Konkurrenz durch den Bäckergesellen Johann Meyer aus Habenhausen, der die Konzessionen zur Weiß- und Grobbäckerei erhielt. Er richtete seine Bäckerei auf einer ehemaligen Kötnerstelle an der Arster Heerstraße/ Ecke Arster Landstraße ein. Nach mehreren Eigentümerwechseln übernahm der Bäckermeister Rudolf Müller aus Adelheide im Jahr 1928 die Bäckerei und das „Cafe Weserstrand“, das der Vorgänger Hinrich Dickhut neben der Backstube eingerichtet hatte.1933 wurde das Angebot um Lebensmittel und Gartengeräte erweitert, in den 50er Jahren schloss man sich der Edeka an. Sohn Rolf Müller baute das Geschäft in den 60er und 70er Jahren mit seiner Frau Irmtraut zu einem Selbstbedienungsladen aus. Es war bis zur Schließung im Jahr 2006 über Jahrzehnte das letzte Lebensmittelgeschäft im „Dorf“.


Bäcker Koldewey

Bäckerei Koldewey, Arster Heerstraße 32/34, im Jahr 1905 – in der Mitte Bäcker Friedrich Koldewey

Schließlich kam noch Bäckermeister Friedrich Koldewey in den 1890er Jahren mit den Ziegelern aus dem Lippschen nach Arsten. Er baute mit seiner Frau Anna an der Ecke Arster Heerstraße/ Brummkoben 1899 ein Geschäftshaus und eröffnete hier seine Brotbäckerei. Mit einem Verkaufswagen bediente man die Kundschaft der weiteren Umgebung.

Stuten-Meta mit Brotwagen in den 1930er Jahren

Im Dorf selbst übernahmen Arster Frauen den Brot- und „Stuten“-Verkauf. Später wurde auch Kuchen angeboten. Eine Spezialität war der „Arster Kranzkuchen“, dessen Rezept aus dem Lippschen mitgebracht wurde und ein Markenzeichen für Koldewey war. Und nicht zu vergessen das Speiseeis, dass hier nach dem Krieg selbst hergestellt wurde. 1965 wurde der Bäckereibetrieb eingestellt.

Schmiede Bollmann

Gründer der Schmiede war Hinrich Rosenhangen, der auf dem Hemm das Schmiedehandwerk erlernte. Am 2. Dezember 1800 beantragte er bei der Wittheit zu Bremen eine „Konzession zur Eröffnung einer Schmiede für die Einwohner der Gohen (des bremischen Landgebiets) im Hause seines Vaters Johann Rosenhagen zu Arsten.“ Da das Schmiedeamt in Bremen ein 26-seitiges Gutachten vorlegte, das sich aus Konkurrenzfurcht gegen die neue Schmiede wendete, wurde das Gesuch zunächst am 13. Februar 1801 abgelehnt. Siebzehn Bauern in Arsten und Habenhausen setzten sich jedoch mit einem Schreiben vom 3. September 1801 für den Antragsteller ein und betonten, „daß sie neben der Landwirtschaft auch das Frachtfuhrgeschäft betrieben und daß ihre in der Kriegszeit verfallenen Wohnungen verbesserungsbedürftig seien, sie daher eines Grobschmieds nicht entraten könnten.“ Sie führten als weitere Gründe an: „der Schmied und der Rademacher auf dem Hemm, deren Gärten allerdings an die bremische Grenze stießen, zögen viel Geld ins ‚Ausland‘„.

Schmiede Bollmann, Arster Heerstraße 95, 1910


Am 30. September 1803 wurde die Konzession unter folgenden Bedingungen bewilligt:

1. Rosenhagen darf nur Grob- und Hufschmiedearbeiten anfertigen. 2. Er darf keine von ihm gefertigten Schmiedearbeiten in die Stadt oder in die Vorstädte liefern. 3. Er darf nur von ihm bekannten, unverdächtigen Leuten, deren Namen und Wohnung er jederzeit angeben kann, altes Eisen kaufen. Am 10. Oktober 1803 wurde Rosenhagen auf diese Pflichten durch die zuständigen Senatoren vereidigt.

Hinrich Rosenhagen betrieb gleichzeitig eine Ausspann-Wirtschaft. Um 1859 übernahm sein Sohn Johann Schmiede und Wirtschaft, wie aus einer Konzession hervorgeht. 1898 erwarb Johann Bollmann das Anwesen. Sein Vater Hinrich Bollmann war bereits in den 1870er Jahren Krugwirt auf dem Anwesen. Nebenan betrieb der Bruder Hinrich seine Stellmacher-Werkstatt, wodurch eine gemeinsame Herstellung oder Reparatur von Ackerwagen erleichtert wurde.


Schmiede Bartsch

Schmiedemeister Ernst Bartsch (rechts) mit Gesellen um 1930

1925 verpachtete man die Schmiede an Ernst Bartsch, der sie hier bis 1939 betrieb. Die Arster Bauern waren seine wichtigsten Kunden im Hufbeschlag und Wagenbau. Dazu kamen Aufträge der Straßenbaufirmen und schließlich wurden auch städtische Behörden zu seinen Auftraggebern.

Schmiede Kirschgens neben der Börse in 1930er Jahren

Ernst Bartsch erwarb 1939 die Schmiede neben der Börse. Er und später sein Sohn Werner betrieben hier die Schmiedewerkstatt bis zur notwendigen Umsiedlung nach Dreye im Jahr 1970. Inzwischen führen die Enkel den Stahlbaubetrieb fort.

Hufbeschlag in den 1950er Jahren


Die Arster Windmühle


Der Mühlenbauer Hinrich Heemsath hat zwischen 1851 und 1853 die Arster Windmühle errichtet. Sie wurde massiv gebaut und war mit einem Holzaufsatz versehen. In den Grundmauern bildet sie ein regelmäßiges Achteck von 3,85m Seitenlänge. Heemsath hat nicht nur vom Mühlenbetrieb gelebt, sondern nebenher auch noch eine Köthnerei betrieben, die sogenannte „Stofferei“ an der Arster Landstraße, die früher dem ehemaligen Bremer Bürgermeister Schöne als Sommersitz gedient hatte.

Mühle Heemsath am Arsterdamm um 1900


Die Bauern, aber auch andere Dorfbewohner aus Arsten, ließen ihr Korn hier zu Back- und Futtermehl mahlen. Außerdem wurden die Arster Bäckereien Koldewey, Bolte und Warnken mit Backmehl und Schrot beliefert. Im Jahr 1922 schlug am Abend vor Pfingsten bei einem schweren Gewitter der Blitz in die Mühle ein. Sie stand gleich in hellen Flammen. Die Flügel fielen auf der dem Wohnhaus gegenüberliegenden Seite herab, so dass die Feuerwehr das Haus retten konnte. Die Windmühle war zerstört, sie wurde aber in der heute noch erkennbaren Form vom Müller Fehsenfeld wieder aufgebaut. Im Jahr 1964 stellte sie ihren Betrieb ein.


Kohlhöker Tölken-Würbers – älteste Kötnerstelle


Die Familie Tölken ist eine der ältesten in Arsten, wie sich anhand von Dokumenten nachweisen lässt. Die Hofbezeichnung „Würbers“ ist vermutlich von dem Namen eines Vorfahren, „Wülbern Toleken“, abgeleitet, der um 1600 die Stelle bewirtschaftete. Um vom Ertrag ihrer kleinen Landfläche leben zu können, betätigten sich Würbers schon bald als „Kohlhöker“.

Würbers Haus am Brummkoben um 1900


1845 wird in einem Dokument ein „Kohlhof“ erwähnt. Mit Pferd und Wagen fuhren sie in der Stadt Straße für Straße ihre Kunden ab und „verhökerten“ ihren Kohl, anderes Gemüse und Obst. Als später auf dem „Grünen Kamp“ der Markt entstand, war der Gemüseverkauf weniger zeitaufwendig. Daraus entstand später der Gartenbaubetrieb Tölken, der bis Ende des letzten Jahrhunderts in Arsten bestand.


Später kamen eine Vielzahl von Geschäftsleuten und Gewerbetreibenden hinzu, die nicht der Kötnerschicht entstammten. Stellvertretend sei Schlachter Töbelmann genannt, der ursprünglich Steinsetzer war und sich im Winter nebenbei als Hausschlachter betätigte, wie schon sein Vater „Dirk Slachter“.



Schlachter Töbelmann


Hermann Töbelmann eröffnete am 1. März 1926 mit seiner Frau Martha den ersten Schlachterladen in Arsten im neu erbauten Haus an der Arster Heerstraße.

Verkaufswagen von Schlachter Hermann Töbelmann am Torndiek um 1930


Mit Pferd und Wagen wurde der Straßenverkauf im Dorf wie auch in den neuen Siedlungen betrieben. In den 60er Jahren bot Sohn Hermann mit seiner Frau Luise zusätzlich zur Schlachterei bereits einen Platten-Service an, der heute als Party-Service Töbelmann von der Enkelin Ursel fortgeführt wird.