Die Arster Kirche

Die Arster Kirche – einziges Baudenkmal aus dem Mittelalter
Die Kirche St. Johannes ist das älteste und einzige Baudenkmal in Arsten aus mittelalterlicher Zeit. 1325 wird die Arster Kirche erstmals urkundlich erwähnt, wie der Besucher neben dem Eingangstor zum Kirchhof erfährt. Das Johannes dem Täufer geweihte Gotteshaus stammt aber wohl aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, worauf auch die schmalen rundbogig geschlossenen Fenster im Glockenturm hinweisen.
Die Arster Kirche mit altem Kirch-hof - Gemälde von Christian Grabau 1873
Die Arster Kirche mit altem Kirchhof – Gemälde von Christian Grabau 1873

Die am Turm mit Eisen eingefügte Jahreszahl „1691“ stammt von einer Erweiterung und stellt nicht das Baujahr dar. Das achteckige Turmdach war bis Ende 2010 mit Sollinger Sandsteinplatten eingedeckt. Da die Platten sich bereits mehrfach lösten und vom Dach zu Boden stürzten, mussten sie nun einem Kupferdeich weichen.

Die Arster Kirche nach der Renovierung 1899
Die Arster Kirche nach der Renovierung 1899

Die Darstellung der Arster Kirche von Christian Grabau lässt gut erkennen, dass die Längsseiten des Schiffes außen durch je zwei massive, schräg angesetzte Backsteinpfeiler gestützt wurden. Diese Strebepfeiler wurden 1820 angebracht, um den gewaltigen Schub der schwerfälligen Gewölbe abzufangen. Bei einer größeren Renovierung im Jahre 1899 wurden diese durch senkrechte Strebepfeiler ersetzt. Ein neues Portal und neue Spitzbogenfenster wurden im Schiff eingefügt. Der ursprünglich romanische Charakter wurde durch diese frühgotischen Elemente verdrängt, die sich auch im neuen Kirchengestühl zeigten.

Innenraum der Kirche nach der Renovierung 1899
Innenraum der Kirche nach der Renovierung 1899

Der Innenraum der Kirche wird durch die noch vorhandenen Kreuzgewölbe bestimmt. Es sind die letzten in den mittelalterlichen Kirchen des ehemaligen Bremer Landgebietes. Jedoch ist das Kircheninnere oft verändert worden. Im Jahre 1836 wurde eine Seitenempore eingebaut, um weiteren 125 Gemeindemitgliedern Platz zu bieten. Denn die Gemeinde wuchs und zum Kirchspiel Arsten gehörten auch die Dörfer Alken, Habenhausen und Kattenesch. Damit waren 450 Plätze in der Kirche vorhanden. Die Namen der Platzinhaber, bei denen es sich überwiegend um Bauern handelte, waren an den Bänken angebracht. 1927 ist die Seitenempore wieder abgebrochen worden. Damals wurde auch das Besitzrecht an Kirchenplätzen durch Beschluss der Gemeindevertretung aufgehoben.

Chorraum mit dem Kirchenstuhl der Familie vom Hemm 1927
Chorraum mit dem Kirchenstuhl der Familie vom Hemm 1927

1927 wurde der Innenraum grundlegend verändert. Die Innenwände der Kirche waren ursprünglich einfach weiß getüncht. Jetzt erfolgte die Ausmalung der Kirche im romanisierenden Stil durch eine Bremer Kunstschule. Dabei wurden unter der dicken Kalktünche alte Malereien freigelegt, die man allerdings wieder übermalte.

01919aDirekt im Chorraum befand sich ein besonders prächtig ausgeschnitzter hochgebauter Kirchenstuhl der Familie des Gutes Hemme. Dieser ist erst nach 1947 entfernt worden, da er von den Inhabern nicht mehr benutzt wurde und außerdem stark vom Holzwurm befallen war. Damals entdeckte man in der Mauer eine Nische, in der zu katholischer Zeit Abendmahlsgeräte aufbewahrt wurden.

Im Fußboden des Chorraumes lagen noch 1927 sieben alte Grabplatten. Es handelt sich um die Gräber der ersten Arster Prediger, wie Heinrich Müller, der um 1568 lebte, Cordt Mushorn (gest. 1627) und Hermann Toibe (1663). Diese Platten befinden sich inzwischen neben dem Mahnmal auf dem Kirchhof. Die älteste Grabplatte aus katholischer Zeit wurde 1966 als Tischplatte im Garten des Gemeindehauses aufgestellt und dient heute als Altarplatte in der Simon-Petrus-Kirche in Habenhausen.
Die 1966 erfolgte Renovierung unter Pastor Pfannschmidt, gab der Kirche ihr heutiges Aussehen mit einheitlich weiß getünchten Wänden. Dabei wurden die 1927 entdeckten Wandmalereien endgültig freigelegt und wieder sichtbar gemacht, allerdings nicht in ihrer ursprünglichen Form. Bei dieser Grundüberholung wurden allerdings auch die alten Kirchenbänke entfernt, weil sie stark vom Holzwurm zerstört waren. Eine Kirchenbank wurde von dem damaligen Kirchenvorstand Wilhelm Runge der Nachwelt bewahrt und befindet sich heute im Foyer des Arster Gemeindehauses. Außerdem ersetzte man die große Orgelempore durch eine wesentlich kleinere, die 1995 dann wieder vergrößert wurde.
Die Glocken haben eine besondere Bedeutung für das Kirchenleben. Zu lesen war das auf
der ältesten Glocke von 1720, die 1843 umgeschmolzen wurde: „Anno 1720, den 28.September, ist diese Glocke zum Dienste Gottes in Arsten… umgegossen und allhier aufgehangen worden. Ich rufe Gottes Volk / wenn soll gepredigt werden, beklag auch Deinen Tod,/wenn Du gehst in die Erden.“
In Arsten läutet sie noch heute zur Mittagszeit, wenn ein Gemeindemitglied verstorben ist. Abschied nehmen die Angehörigen in der Arster Kirche und bestatten die Verstorbenen auf dem Kirchhof, wie der Friedhof in Arsten genannt wird.
Der Harmelingk-Stein neben dem Kirchturm – links der Ring für das Halseisen
Der Harmelingk-Stein neben dem Kirchturm – links der Ring für das Halseisen

Die alten Grabsteine, die bis ins Jahr 1546 zurückgehen, erzählen die Geschichte vieler alteingesessener Arster Familien. Rechts neben dem Turm befindet sich an der Kirchenmauer eine besondere Grabplatte, die bis zum Jahre 1927 im Altarraum der Kirche lag. Sie stellt den Ritter Arp Harmelingk und seine Gemahlin dar, die Pächter des Rittergutes auf dem Hemm waren. Zu Füßen des Ritters sind zwei gekreuzte Handschuhe zu sehen. Daran knüpft sich die Sage, dass dieser Ritter von den Bremern hingerichtet worden sei, weil er die Weser abwärts fahrenden Schiffe geplündert habe. Eine andere Sage behauptet, dem Ritter seien zur Strafe für einen geleisteten Meineid beide Hände abgeschlagen worden.

367 Gedenkstein Blutgericht 1569 SW00106Direkt in der Nähe ist in der Turmmauer in Kopfhöhe ein Ring eingelassen, an dem sich früher ein Halseisen befand, der sogenannte Pranger. Wie er zum Einsatz kam, erfahren wir aus einem alten Kirchenvisitationsbericht vom 23. September 1694 :„Wie wir nun solches ungern vernommen, haben wir die Gemeinde nach Möglichkeit ermahnet, sich fleissiger bei dem Gottesdienst einzustellen mit der Erinnerung, daß die Verbrecher aufgezeichnet und gestrafet, die halsstarrigen aber in das Halseisen sollten gestellt werden.“ Verkündet wurde dieses durch den Gohgräfen. Unter einer Linde auf dem Platz vor der Kirche nahm der Gohgräfe sonntags nach dem Gottesdienst Beschwerden entgegen und hielt Gericht. Der Gohgräfe war als oberster Verwalter und Richter von den Grundherren und freien Bauern gewählt. An dieser Stelle fand am 1. Januar 1569 sogar eine Hinrichtung statt. Ein Gedenkstein weist auf dieses Ereignis an der alten Dingstätte hin, der 1975 von Johann Ernst Lahrs gestiftet wurde. Die Kirche war Mittelpunkt des dörflichen Lebens und die Pastoren hatten eine besondere Stellung. Wilhelm Runge schreibt darüber: „In Arsten war es schon immer so, daß die ehemaligen Pastoren anscheinend die Besten gewesen sind. Denn alle Alten, die bei Rieke konfirmiert sind, schwören auf ihn; die bei Pastor Wahle konfirmiert wurden, meinen, er wäre der größte Redner gewesen. Wenn sie ihn auch nur zur Konfirmation und Hochzeit, höchstens mal zu einer Beerdigung haben reden hören. Zur Zeit Pastor Riekes war es aber noch so, daß allsonntäglich aus jedem Hause in Arsten und Habenhausen wenigstens eine erwachsene Person zur Kirche ging. … Der Pastor war der Mann im Dorf, der noch über den Vorsteher (Bürgermeister) kam. Auf ihn konnte man sich verlassen und bei ihm konnte man sich Rat für alles holen. Außerdem kannte Pastor Rieke in beiden Dörfern jeden Menschen Haus bei Haus, was ja nicht allzu schwierig war, da die Seelenzahl nicht ein Viertel so groß war wie heute.“
Pastor Rieke mit Konfirmanden vor dem Pastorenhaus um 1912
Pastor Rieke mit Konfirmanden vor dem Pastorenhaus um 1912

Neben der Kirche wurde 1853 das Pastorenhaus für einen Kostenaufwand von 3725 Reichsthalern erbaut und ersetzte das abgerissene Pfarrhaus aus demJahre 1681. Pastor Johann Daniel Noltenius war der erste Pastor, der im neuen Pfarrhaus wohnte. Das Pastorenhaus hatte früher, wie heute noch zu sehen ist, auch eine große Dielentür, die auf die geräumige Diele führte. Hier befanden sich rechts und links die Stallungen für die Tiere. Den Pastorengarten mit seinem reichen Baumbestand und dem Laubengang hat Pastor Noltenius nach französischem Muster anlegen lassen.

Blick in den alten Lindenlaubengang im Jahr 2006
Blick in den alten Lindenlaubengang im Jahr 2006

Den Lindenlaubengang nutzten auch die späteren Pastoren Rieke und Wahle zur Entspannung – vielleicht vom anstrengenden Konfirmandenunterricht – oder zur Vorbereitung auf die Gottesdienste. Er ist einzigartig in ganz Bremen und wird daher zurzeit erneuert, um ihn künftigen Generationen zu erhalten. Das große Gartengrundstück dient heute den Kindern aus dem Kindergarten als hervorragendes Spielgelände. Die finanziellen Mittel für den Erhalt der Kirche und den Lebensunterhalt der Pastoren, wurden vor allem aus Abgaben erzielt. Der Kirche gehörten als Grundherr zahlreiche Ländereien, die von den Bauern bearbeitet wurden. Einem „Verzeichnis der Einkommen bey der Costerey zu Ahrsten“ von 1689 ist zu entnehmen, welche Abgaben die 39 Bauleute, wie die Bauern genannt wurden, und 43 Kötner im Kirchspiel zu leisten hatten.